#KaffeeSatz Nr. 60

#KaffeeSatz Nr. 60

Optimismus ist die Luftblase in unserem Leben,
die uns vor dem Untergehen bewahrt.

– Peter Ebeling – (*

Heute habe ich mir zum #KaffeeSatz einen alten Bekannten eingeladen. Und zwar einen ganz besonderen #MeinMenschderWoche.

Na, das stimmt nicht ganz! Eigentlich ist es kein Mensch der Woche, sondern ein Mensch des Jahres oder weit darüber hinaus.

Es ist Onkel Edwin. Er ist nicht mein Onkel, sondern der Großonkel einer sehr lieben Freundin.

Ich habe Onkel Edwin vor 3 Jahren auf der Geburtstagsfeier meiner Freundin kennengelernt.
Mein Mann und ich kamen gerade aus dem Urlaub aus der Normandie und wir erzählten in einer kleinen Runde, wie beeindruckend und berührend der Besuch dieser traurigen Geschichtsstätte an den Landungsstränden war, wo die Alliierten 1944 einen grausamen Krieg beenden sollten.

Onkel Edwin gehörte auch zu dieser kleinen Runde und er bemerkte ganz bescheiden: „Ja, da war ich auch mal … als junger Mann, aber nicht auf Urlaub.“

Und dann erzählte er seine Geschichte, dass er als 17-Jähriger schon in den Krieg ziehen musste, dass er seine Familie und seine Zukunftspläne (er wollte immer Apotheker werden) verabschieden musste und nicht sicher war, ob er je lebend wieder nachhause kommen würde.

Er erzählte mir auf meine Frage hin, was für ihn das Schlimmste im Krieg war, dass es der unsägliche Hunger war, den sie auf der Flucht ertragen mussten.
 3 oder 4 mal musste er flüchten und in dieser Zeit fanden er und seine Kameraden so gut wie nichts zu essen. Sie sammelten Pilze im Wald und ein französischer Metzger gab ihnen das Blut, das er nach dem Schlachten gesammelt hatte, und sie kochten sich Blutsuppe.

(Er sagte, dass er heute noch manchmal dieses Hungergefühl empfindet, obwohl er eigentlich satt ist.)

Ich denke, dass die Geschichte von Onkel Edwin vielen anderen Geschichten aus dieser Zeit sehr ähnlich ist.

Doch etwas war anders bei ihm. Bei Edwins Erzählungen fehlte dieser traurige, trübsinnige Unterton, den man bei so vielen Kriegsheimkehrern hört, dieser „Was ich alles erlitten habe!“-Ton. Er erzählte sehr sachlich und neutral.

Edwin war ein durch und durch positiver Mensch. Er ist der positivste Mensch, den ich je kennen gelernt habe, trotz Krieg.

Er sagte: „Ja, der Krieg war schlimm, aber das Leben geht doch weiter!“ Er war dankbar dafür, dass er lebend aus dieser Hölle heraus gekommen ist. Und er schätzte das Geschenk des Lebens an sich so sehr. Er hatte auch immer dieses ganz besondere Lächeln im Gesicht, dieses warme herzliche Lächeln, das von ganz tief innen kommt.


„Trübsal blasen ist nichts für mich. Ich achte auf mich und meinen Körper und ich habe mich immer fit gehalten.“ Sagte es und sprang von der vierten Stufe einer Treppe, um es uns auch zu beweisen. Wir hielten alle mal kurz die Luft an, aber dieser kleine, drahtige (damals 92-jährige) Mann war wirklich gut in Form. Hätte er einen FlicFlac hingelegt, hätte es mich auch nicht gewundert.

In kürzester Zeit hatte Onkel Edwin an diesem Abend eine Menschentraube um sich versammelt und wir lauschten alle andächtig seiner Geschichte. Dieser Mann hatte eine so enorm positive und warmherzige Ausstrahlung, dass er damit alle in seinen Bann zog.

Ich dachte noch lange über diesen besonderen Menschen nach und stellte mir immer wieder die Frage, wo der Unterschied liegt:

„Wieso kamen die meisten Männer höchst depressiv und schweigend aus dem Krieg zurück (und die meisten blieben es auch, was natürlich durchaus verständlich ist) und Edwin, der das gleiche Horror-Szenario erlebt hat, nicht.“

Wo liegt der Unterschied, wie man mit dem Leben und mit Erlebtem umgeht?

Ist es mit der banalen „halb volles Glas – halb leeres Glas“- Theorie abgetan?

Muss man nur seine Einstellung ändern und dann switcht man von negativ zu positiv?

Ist es so einfach?

Natürlich, man kann sich nicht immer alles schön reden.

Sche*ße bleibt Sche*ße(**, daran ist nichts zu rütteln.
Für Edwin war der Krieg auch der reinste Albtraum.

Die Frage ist nur, ob man an seiner Sche*ße kleben bleiben muss, wie eine lästige Fliege oder ob man sich danach wieder dem Schönen und Erfreulichen zuwenden sollte.
Im Falle dieser Fliege, sich vielleicht eher einem Honigtopf oder einer schönen Blume zuwendet.

***

Onkel Edwin ist letztes Jahr gestorben. Mir wird er aber für immer und ewig als der positivste Mensch aller Zeiten in Erinnerung bleiben 💝

(* Ob das Zitat wirklich Onkel Edwins Lebensmotto war, weiß ich leider nicht, aber er hatte es selbst auf ein Foto von ihm und seiner Tochter geschrieben.
Ich glaube allerdings, er hätte zugestimmt 💖

(** Ich hätte auch Mist oder Dreck hinschreiben können, trifft den Kern aber nicht so gut 😇😁)

***

– Hast Du besondere Rituale, wie Du Dich aus einer negativen wieder in eine positive Stimmung bringst?
– Oder drehst Du lieber mehrere Runden über Deiner Sche*ße?

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Brigitte Ciraudo
Psychologische Beratung & Personal Coaching 🍀💖

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