#KaffeeSatz Nr. 31

Mein schönster Moment, wenn ich nach England reise, ist der Augenblick, in dem sich die Fähre den weißen Kreideklippen von Dover nähert, begleitet vom Kreischen der Möwen. Dann bin ich angekommen, glücklich.

Und jedes Mal, wenn ich die Möwen höre, fällt mir dabei die Möwe Jonathan ein. Meistens verliert sich der Gedanke auch wieder. Dieses Mal fragte ich mich allerdings: wie ging nochmal die Geschichte? Worum ging es in „Die Möwe Jonathan“? Ich las das Buch nochmal und musste feststellen, dass dieses Büchlein so voller Weisheiten, Herzenswärme, Mut und Liebe steckt. Und natürlich auch an Aktualität nichts eingebüßt hat.

Nur kurz, worum geht es in dem Buch?

Die kleine Möwe Jonathan fällt in der großen Möwen-Gesellschaft etwas aus dem Rahmen. Jonathan ist es wichtiger, seine Flugkünste zu perfektionieren, als Futter zu suchen. Er ist der Meinung, dass das Leben aus mehr besteht, als nur aus Futtersuche.

Jonathan liebt das Fliegen mehr als alles andere auf der Welt und feilt täglich an seiner Flugtechnik. Nach und nach zieht er sich den Unmut der Möwen-Sippe und sogar den seiner Eltern zu.

Seine Mutter fragte: „Wozu das, Jon? Ist es denn wirklich so schwer, wie alle anderen zu sein? Warum überlässt du den Tiefflug nicht den Pelikanen oder dem Albatros?

Der Vater rät ihm: „Wenn du unbedingt etwas lernen willst, dann lerne, wie man sich sein Futter beschafft. Fliegerei, schön und gut, aber von einem Gleitflug kann man nichts abbeißen, verstehst du? Zweck des Fliegens ist, dass man etwas zu essen hat, vergiss das nicht.“

Jonathan versuchte auch einige Tage lang, genau so wie die übrigen Möwen zu sein; er gab sich wirklich alle Mühe. Er flatterte und kreischte mit dem Schwarm um die Anlegestellen und Fischerboote und schnappte im Sturzflug nach Brotkrumen und Fischabfällen. Aber er war nicht glücklich dabei.

Ganz schnell war er wieder über dem offenen Meer und übte das Fliegen. Als er bei einem seiner Flugmanöver mitten in der Möwenschar landete, war das Maß voll und der Ältestenrat verbannte ihn aus der Gemeinschaft. Von da an lebte Jonathan alleine, aber glücklich über dem Meer. Er fühlte sich auch nicht einsam, er hatte ja das Fliegen, das ihn glücklich machte.

Die Geschichte geht noch weiter, mit vielen wunderbaren Botschaften, für meinen heutigen KaffeeSatz-Aspekt reicht dieser Teil jedoch aus.
Nur eins vorneweg, aus Jonathan wird mal eine ganz besondere und glückliche Möwe 😉

Ich denke, dass gerade die Frage der Mutter: „Warum kannst Du nicht so sein wie die Anderen?“ bei vielen von uns einen Schmerzpunkt berührt. Die Botschaft lautet: „Sei wie die anderen, sonst wirst du aus der Gesellschaft ausgestoßen!“
Bedeutet also, du bist, so wie du bist, nicht gut (genug). Wie grausam!

Wie grausam, jemandem so die „Flügel stutzen“ zu wollen. Wie grausam und gegen die Natur, besondere Fähigkeiten und Talente zu ignorieren und zu verbieten, nur weil sie nicht in den Alltagsbrei der Masse passen.

Nur weil alle Anderen etwas tun, heißt es noch lange nicht, dass Du es genauso tun musst, dass es für DICH richtig ist.

Diese wunderschöne Parabel der Möwe Jonathan ermutigt uns, unsere Träume und Sehnsüchte nie und niemals aus den Augen zu verlieren. Kein Mensch ist jemals durch Anpassung glücklich geworden, ganz im Gegenteil.

Letztendlich ist es besser, ausgeschlossen zu werden, als der, der Du bist, als eingebunden zu sein als jemand, der Du nicht bist.

© Brigitte Ciraudo

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