Kraft (W) Ort Nr. 10

Wünsch mir kein Glück.
Ich erwarte nicht, immer glücklich zu sein …
Wünsch mir Mut und Kraft und Sinn für Humor.
Ich werde alles davon brauchen.

Anne Morrow Lindbergh

Nach den vielen „Glück-Wünschen“ zum Neuen Jahr, war ich etwas überrascht und verwundert, als ich auf dieses Zitat von Anne Murrow Lindbergh stieß.
„Wünsch mir kein Glück …“ – Wer von uns wünscht sich denn kein Glück?

Und der Name kam mir auch bekannt vor. Ja, Anne Murrow Lindbergh war die Ehefrau von Charles Lindbergh, dem Piloten, der 1927 den Alleinflug über den Atlantik wagte.

Aber sie war nicht nur die Ehefrau eines berühmten Mannes. Charles brachte der schüchternen jungen Frau, die eigentlich Schriftstellerin werden wollte, das Fliegen bei, und bald erkundeten sie gemeinsam neue Flugstrecken. Im Sommer 1929 heirateten sie. Ein Jahr später gebar Anne ihr erstes Kind, Charles jr.

Am 1. März 1932 wurde der Kleine, knapp 2 Jahre alt, gekidnappt und wohl noch am selben Abend ermordet. Im Mai wurde die Leiche des Kindes gefunden, lange nachdem das Lösegeld gezahlt worden war.

Im Alter von noch nichtmal 30 Jahren hatte Anne M. Lindbergh also nicht nur die höchsten Höhen des Glücks und Ruhms kennengelernt, sondern auch die Kehrseite, einen jahrelang sich hinziehenden Alptraum, der ihr ganzes langes Leben überschatten sollte.
Anne M. Lindbergh war schwanger, als ihr Junge ermordet wurde; insgesamt gebar sie sechs Kinder. Trotz nie abreißender Familienpflichten und häufiger psychischer Krisen verfolgte Anne M. Lindbergh mit Konsequenz ihre literarische Karriere, und ihr Ehemann unterstützte sie sehr darin.

1956 veröffentlichte sie ihre lyrische Essay-Sammlung ‚Gift from the Sea‘ (dt. Muscheln in meiner Hand), mit der sie Millionen von Frauen Mut machte, ihre Kreativität und Eigenständigkeit zu verteidigen – nicht zuletzt der Familie zuliebe.

Während ihrer letzten Lebensjahre – sie wurde 94 Jahre alt – litt Lindbergh nach einem Schlaganfall 1991 an Demenz. Da sie sehr vermögend war, konnte sie über ein Jahrzehnt zu Hause gepflegt werden. Sie, die stets damenhafte Zurückhaltung gewahrt hatte, ließ nun ihren aufgestauten Gefühlen in rasenden Wutausbrüchen freien Lauf.

Also, im Nachhinein, wenn man sich das Leben der Anne M. Lindbergh so betrachtet, macht ihre Aussage durchaus Sinn.

Natürlich brauchen wir ab und zu mal Glück, aber vielmehr brauchen wir Mut, Kraft und ganz viel Humor, um unsere Krisen zu meistern.

… denn mit Mut fangen die schönsten Geschichten an 💫